Karnevalswochenende

Wie ihr vermutlich alle wisst, war dieses Wochenende Karneval. Hier in Ecuador sind der Montag und Dienstag auch noch Feiertage, das bedeutet, es wird 4 Tage nur gefeiert. Wobei, eigentlich schon mehr, denn auch in der ganzen Woche vorher lief man immer schon gefahrn, nass zu werden. Karneval wird hier nämlich ein bisschen anders gefeiert als in Deutschland.

Auch hier gibt es zwar Umzüge, die fast genauso sind, wie die "Pases del niño", die es zu Weihnachten gab, nur das eben kein Jesuskind vornehergetragen wird: Laute Musik und Tanzgruppen. Der grosse Unterschied ist allerdings, dass an Karneval drumherum eine ziemlich grosse Schlammschlacht herrscht. Man wird mit Wasser(bomben) beworfen, Eier fliegen durch die Luft, jeder bekommt etwas Mehl ins Haar und das Gesicht mit buntem Pulver angemalt (was echt schlecht wieder abgeht - hoffentlich geht es aus meiner Kleidung wieder raus), und dann gibt es noch Sprühschaum aus der Dose in verschiedenen Farben, der angeblich nicht in den Augen brennen soll, es aber doch tut. Die Karnevalstage sind hier ausserdem die Tage, in denen die Ecuadorianer einfach nur feiern gehen, sich betrinken, jeden Tag, und einfach nur Spass haben.

Nun aber zu meinem Wochenende, von vorne:

Der Samstag fing erstmal ganz ohne Karneval an - Ninas Chef hatte uns eingeladen, mit ihm auf den Chimbrazo zu fahren, und da haben wir natürlich zugesagt. Es ist nämlich eigentlich etwas kompliziert, da hinaufzukommen, weil keine Busse zu den Refugien fahren und es von der Strasse bis zu dem ersten Refugium ziemlich weit ist. So sind wir also um 7 Uhr morgens dick eingepackt los und mit dem Auto bis zum ersten Refugium hochgefahren. Wir hatten ziemlich Glück an dem Tag, weil die Schneegrenze über Nacht ziemlich gefallen war, und schon vor dem ersten Refugium alles weiss war - normalerweise muss man selbst vom 2. Refugium noch weiter hochlaufen. Und auch während wir da waren hat es immer weiter geschneit. Zwar konnten wir so leider den Chimborazo nicht wirklich sehen, der so nah natürlich nochmal beeindruckender aussieht, aber den Schnee fanden wir, die wir alle dem Skiurlaub dieses Jahr doch ziemlich hinterhergetrauert haben und alle beineidet haben, die Skifahren waren, viel besser. Vom 1. Refugium geht es dann nur noch zu Fuss weiter, und wir sind hoch bis zum 2. Refugium, der Edward-Whymper-Hütte, die schon auf 5000m ist! Hört sich jetzt zwar super an, wenn ich so erzähle, dass ich bis auf 5000m hochgewandert bin, wenn ich euch jetzt aber sage, dass die erste Hütte schon auf 4800 ist, dann relativiert sich das alles ein bisschen... :) Man merkt die Höhe aber schon sehr. Pablo, Ninas Chef, war aber früher wohl relativ aktiv, was Bergsteigen angeht, und hatte deshalb alles mögliche dabei, was gegen die Höhe hilft - Panela (eine Art Zucker) und Cocatee, zum Beispiel. Auf der Hütte haben wir uns dann wieder ein bisschen aufgewärmt, und als wir rausgegangen sind, haben wir sogar einen Wolf gesehen. Dann ging es auch schon wieder runter und ins Auto. Spontan wurde dann noch beschlossen, dass wir nach Guaranda fahren, einer der bekanntesten Städte, wenn es um Karneval geht. Der Tutor von Nina, der auch mit dabei war, hat in der Stadt, wo am Samtag die grosse Feier war, Verwandte, und die haben wir dann besucht. Hier gab es natürlich erst mal etwas zu essen, während neben uns ein Schwein vorbereitet wurde. Das lag da so rum, hat noch ein bisschen geblutet, während die äussere Haut mit einem Bunsenbrenner verbrannt wurde. Wir waren ganz froh, dass wir gegangen sind, bevor sie angefangen haben, das arme Tier auszunehmen... Insgesamt muss ich auch sagen, dass mir die deutsche Essensvariante besser gefällt - dass man einfach sein Essen auf den Teller bekommt, ohne vorher noch tote Meerschweinchen in die Hand gedrückt zu bekommen oder ein Schwein direkt neben der Strasse liegen zu sehen. Dann ging es jedenfalls zu dieser Feier, wo es Musik und viel Mehl und Sprühschaum gab. Immerhin aber kein Wasser, denn irgendwie scheint es hier so eine Art Gesetz zu sein, dass das Wetter an den Karnevalstagen immer schlecht ist. Als wir dann alle weiss waren, die Augen vom Schaum getränt haben und es in unseren Ohren nur noch gebizzelt hat (auch wegen des Schaumes), ging es dann wieder nach Hause. War auch gut so, denn wir waren doch alle ziemlich müde :).

Am Sonntag waren wir dann bei der Feier von Daniels Gastfamilie eingeladen, einer indigenen Familie. Das war dieses Jahr eine sehr grosse Feier, weil zwei der Gastgeschwister von Daniel dieses Jahr ihren Uniabschluss gemacht haben, und das wurde natürlich gefeiert. Ausserdem ist für die Indigenas das Karnevalsfest auch noch aus anderen Gründen sehr wichtig, weil das in ihrer Kultur auch der Jahreswechsel ist. Die Feier ging dann los, und es wurde erst mal wieder seeeeehr lange geredet. Verschiedene Leute haben Reden gehalten (man hat allerdings nicht soo viel verstanden - die Akustik war ziemlich schlecht und teilweise war das ganze auch in Quichua, aber im Grunde ging es vor allem darum, wei Stolz man auf die beiden war, die Abschluss gemacht haben, und wie schön es ist, dass die ganze Familie jetzt da ist), teilweise wurde das ganze auch ziemlich emotional, dann wurden den beiden Absolventen Geschenke überreicht (Ponchos, Ponchos und noch mehr Ponchos!), und dann, endlich, gab es etwas zu essen. Wir hatten alle morgens nicht so viel gegessen, weil wir wussten, dass es dort genug geben würde, und hatten auch absolut recht damit. Als erstes gab, was auch sonst, Suppe. Dort war drin: Irgendein Andengetreide, was ich nicht so genau kenne, Kartoffel, Schaf. War aber insgesamt keine soo grosse Portion. Dann kam der nächste Gang: Reis, Hühnchen, Salat aus Kartoffeln, Erbsen und Möhren. Die Portion war dann allerdings nicht mehr so klein. Im Gegenteil - sie war RIESIG. Wir bekamen schon keine normalen Teller, sondern ovale Platten, und auf denen war dann ungelogen das Essen bis zum Rand aufgeladen und in der Mitte schätzungsweise 15cm hoch. Selbst die Ecuadorianer meinten, dass wäre ein Chimborazo an Essen. Ein so ein Teller hätte gereicht, um 4 Personen satt zu bekommen. Etwas übrig lassen ist aber nicht, stattdessen werden Tüten verteilt, in die man das reinmachen kann, was man nicht schafft. Tja, und dann sassen wir da, sehr satt, haben uns umgeguckt und uns gefragt, wofür die 2 Schweine sind, die noch in der Küche lagen. Die Antwort kam nur kurz später - es gab noch einen weiteren Gang. Dieser Bestand aus Mote (das ist eingeweichter Mais oder so), Kartoffeln (nicht nur so eine, oder zwei, sondern eher so 6-7 pro Person) und eben einem grossen Stück Schweinefleisch. Die Portion war mindestens genauso gross wie die andere. Wir haben also wieder einen Grossteil in unsere Tüte gepackt... :) Danach wurde dann noch getanzt (typisch indigen: klatschen und im Kreis hintereinander her laufen), Bier getrunken und ein wenig geredet. Dann sind wir Deutschen wieder nach Hause, weil wir an dem Abend noch weggehen wollten.

Am Montag haben wir erst mal ausgeschlafen und sind dann mittags nach Guano gefahren, eine kleine Stadt in der Nähe von Riobamba, wo an dem Tag grosse Feier war. Und das war wirklich eine grosse Feier, mit allem, was ich oben genannt hatte: Wasser, Mehl, buntes Pulver, Schaum, Eier... Und blonde Haare machen das ganze nicht unbedingt angenehmer. Läuft dann ungefähr so ab: Man läuft da lang, dann tönt es von irgendwo "GRINGA!!" und dann hat man auch schon eine Ladung Wasser im Rücken, ein Ei auf dem Kopf, ein lila Gesicht, Schaum in Mund/Augen/Ohren oder sonst was. Nach 5 Minuten waren wir alle total durchnässt und dreckig. Ist aber eigentlich witziger, als es sich jetzt vielleicht gerade anhört, solange man halt darauf vorbereitet ist und sich dementsprechend angezogen hat. Irgendwann wurde uns dann aber ziemlich kalt, deswegen sind wir dann nach ca. 2h wieder nach Hause gefahren, haben uns warm geduscht, ins Bett gelegt und Filme geguckt (an dem Wochenende hat noch eine andere Freiwillige bei  mir übernachtet). Es hat dann auch den ganzen Abend ziemlich stark geregnet - so stark, dass direkt über meinem Bett das Dach undicht wurde und Jonna und ich umziehen mussten in das Nachbarzimmer. Das wurde aber direkt am nächsten Tag wieder repariert (hoffe ich zumindest - bisher hat es noch nicht wieder geregnet, insofern konnte ich das noch nicht testen).

Dienstag waren wir bei Nina eingeladen. Ihre Gastgeschwister hatten einige Freunde eingeladen um zu grillen und noch ein wenig Karneval zu feiern. Dort habe ich auch schon mal eine vorgezogene Geburtstagstorte bekommen. Ich weiss nicht, ob ich das schon erzählt hatte, aber hier ist es Tradition, dass das Geburtstagskind in die Torte beisst, und wenn es nicht schnell genug ist, wird es von den umstehenden mit dem ganzen Gesicht hineingedrückt. Aufgrund mangelnder Übung war ich natürlich nicht schnell genug und hatte dann das ganze Gesicht voller Kuchen. Sah ganz witzig aus - die lila Farbe vom Vortag war noch nicht weg, und dann war ich komplett voll mit rotem Sirup... war aber ganz lecker :). Und das ganze gegrillte natürlich auch, auch wenn es natürlich wieder viel zu viel war. Dann haben es Jonna und ich geschafft, der Wasserschlacht zu entfliehen, wir waren beide nicht mehr so super fit, nachdem wir ja am Vortag schon gefroren hatten, und sind wieder nach Hause. Damit war der Karneval dann auch vorbei, eigentlich ganz angenehm, wieder ohne Angst vor Wasserangriffen durch die Strassen gehen zu können :) Es waren aber ein paar sehr schöne Tage mit vielen neuen Erfahrungen.

Heute ist Valentinstag und bei mir auf der Arbeit war eine Feier deswegen, es kam eine Band und hat Liebeslieder gespielt (also eigentlich ganz normal - hier ist eigentlich jedes Lied über die wahre Liebe oder Herzschmerz) und es wurde ein wenig über Liebe und Freundschaft geredet. Und danach gab es noch leckeren Kakao und etwas zu essen - eigentlich der einzige Grund, warum immer so viele zu diesen Veranstaltungen gehen.

Auf die nächsten Tage freue ich mich auch sehr: Meine Grosseltern, die schon seit einer Woche in Ecuador sind, kommen morgen hierher nach Riobamba und bleiben dann das Wochenende über hier. Freut mich besonders, dass sie an meinem Geburtstag da sind :).

 

Allerliebste Grüsse,

Julia

 

P.S.: Jaaa, es gibt bald wieder Fotos! Versprochen. Allerdings gibt es von den ganzen Karnevalsfeiern nicht so richtig viele Fotos, denn wenn Wasserschlacht auf dem Programm steht, ist eine Kamera eher fehl am Platz... :)

The Danger of a Single Story

Dieser Blog bietet kein umfassendes Bild über die Kultur Ecuadors. Ich werde mir zwar Mühe geben, keine Vorurteile aufzubauen, aber ich kann leider nicht alle meine Eindrück hier schildern, und manches nehme ich als Ausländerin auch anders wahr, als es vielleicht wirklich ist. Seht mich also nicht als Expertin für Ecuador und fasst nichts von dem, was ich schreibe, als generelle Aussage über Ecuador(ianer) auf. Ein Film dazu, der das Problem an der Sache gut verdeutlicht, und den wir auf dem Vorbereitungsseminar gezeigt bekommen haben: http://blog.ted.com/2009/10/07/the_danger_of_a/