Monatsprojekt in Tena - die Arbeit

Soo, ich melde mich auch mal wieder, mittlerweile schon wieder aus Riobamba. Trotzdem möchte ich euch aber natürlich nicht vorenthalten, was ich den letzten Monat so gemacht habe, also kommt hier als erstes Mal der Teil über meine Arbeit.

Zunächst mal ist zu sagen, dass ich immer genug zu tun hatte - das allein ist schon ein grosser Unterschied zu Riobamba gewesen. Gearbeitet habe ich in der Escuela de Liderazgo Ambiental, also einer Schule, die sozusagen Anführer im Umweltbereich ausbildet. Die Schüler sind etwa ein halbes Jahr immatrikuliert und bekommen in dieser Zeit Workshops zu verschiedenen Themen, wie zum Beispiel Klimawandel, Umgang mit natürlichen Ressourcen, Organisation und Planung, Konfliktmanagement... Ausserdem müssen sie innerhalb dieser Zeit in kleinen Gruppen ein eigenes Projekt entwickeln und es umsetzen, zum Beispiel eine Baumpflanz- oder Müllsammelaktion mit ihrer Comunidad. Auch hierfür bekommen sie Hilfe, wenn es zum Beispiel darum geht, wie man bei den Ministerien Geld für solche Projekte beantragt oder wie man die Probleme, Gründe und Effekte richtig formuliert. Insgesamt also ein tolles Projekt, das auch schon ein paar Jahre läuft und viel Engagement in dem Bereich gefördert hat.

Ich konnte in diesem Projekt arbeiten, weil es von der GIZ finanziell unterstützt wird. Dort habe ich verschiedene Aufgaben erledigt - ich habe viel mit der Excel-Tabelle gearbeitet, in der alle Informationen über alle Schüler drin sind, habe Hausaufgaben korrigiert, aus einzelnen Informationen Lebensläufe erstellt, für alle Schüler ihren individuellen Report erstellt, die Workshops vor- und nachbereitet und natürlich auch während der Treffen viel getan. Mir wurde in diesen Wochen also nicht langweilig :). Was auch toll war, ist, dass meine Chefin nicht so eine ganz typische Ecuadorianerin war, sondern eine ziemlich taffe Person - ich wurde nicht um hundert Ecken gefragt, ob es für mich okay wäre, diese Aufgabe jetzt zu erledigen, sondern mir wurde kurz erklärt, was ich machen soll, und dann habe ich das gemacht. Ganz im Gegensatz dazu stand mein anderer Kollege, der selber seit 2 Monaten in dem Projekt dabei war und einfach sehr, sehr inkompetent war. Wie oben schon erwähnt hatte ein Grossteil meiner Arbeit mit dieser Excel-Datei zu tun, nur kannte er sich leider mit Excel gar nicht aus. Gar nicht. Und egal, wie oft ich ihm das erklärt habe, er hat es trotzdem nicht kapiert und kam alle 10 Minuten wieder an, damit ich ihm helfe, bzw. alles für ihn mache. Das habe ich zwar nicht gemacht, bin aber wirklich teilweise kurz vorm Verzweifeln gewesen. Und statt sich Excel ein bisschen beizubringen wollte er lieber Fotos von meinen Augen machen. Da habe ich dann versucht, ihm zu erklären, dass ich das nicht will, weil es mich stört, dass es hier in Ecuador immer nur um mein Äusseres geht, daraufhin meinte er, dass er mich dann eben komplett fotografieren würde, mein Körper wäre ja auch nicht schlecht. Jegliche weitere Diskussionen hierüber waren sinnlos, er hat einfach nicht verstanden, was ich ihm sagen wollte und es mit jeder Aussage nur noch schlimmer gemacht. Wie ihr seht, nicht so einer meiner Lieblinge hier...

Nunja, die restliche Arbeit war eigentlich ganz interessant. Viele interessante Sachen habe ich auch bei der Korrektur der Hausaufgaben gelernt, einmal, wie schwer es vielen hier fällt, ihre Gedanken klar zu formulieren und gescheite Sätze zu bilden (manche Sätze gingen ernsthaft über eine ganze Seite, ohne Punkt und Komma oder viel nachdenken wurde einfach drauflosgeschrieben), andererseits auch über die Lebensrealität vieler Menschen hier. Bei einem Thema ging es um Konfliktbewältigung, und dort sollte in einer Aufgabe ein Konflikt aus dem eigenen Leben beschrieben werden. Hier kamen unglaublich viele innerfamiliäre Konflikte, bei denen Frauen geschlagen, misshandelt oder auf andere Art und Weise diskriminiert wurden. In einem Konflikt ging es darum, dass der Bruder der Schülerin (wenn ich hier übrigens von Schülern rede dann geht es trotzdem um Erwachsene) seine Frau vergewaltigt hat, und sie ihn dafür verurteilt hat und die Frau zum Schutz bei sich aufgenommen hat. Das ganze ging auch an die Polizei und der Bruder kam tatsächlich für ein paar Tage ins Gefängnis, allerdings konnten die Eltern dies ganz und gar nicht nachvollziehen. Sie beschuldigen ihre Tochter, die Familie in Ungnade gebracht zu haben und haben monatelang nicht mit ihr geredet. Auch jetzt, nachdem der Bruder wieder mit seiner Frau zusammenwohnt (!! - es gab wohl ein klärendes Gespräch... ), ist das Familienverhältnis immer noch gestört. Und wie gesagt, dies ist nur ein Beispiel - ich habe viele ähnliche Geschichten beim Korrigieren gelesen.

Am Ende des Monats fand in Tena die jährliche Kakaomesse statt, bei der ich mit meinem Projekt zwar nicht direkt beteiligt war, andere Freiwillige jedoch schon. Ich habe dann auch mitgeholfen, allerdings gab es nicht soo viel zu tun, weshalb wir trotzdem genug Zeit hatten, uns die verschiedenen Stände anzugucken und köstliche Schokoladenkreationen zu probieren, unter anderem Schokokuchen, Pralinen, Schokoladenlikör oder Schokoladenwein. Generell habe ich diesen Monat richtig viel über Schokolade und Kakaoanbau gelernt, ausserdem die leckerste Schokolade, die es hier in der Ecuadorianischen Selva gibt (und das sage ich nicht nur so - die wird regelmässig prämiert), selber gemacht und probiert. Mehr dazu in dem zweiten Artikel über Tena - meiner Freizeit.

The Danger of a Single Story

Dieser Blog bietet kein umfassendes Bild über die Kultur Ecuadors. Ich werde mir zwar Mühe geben, keine Vorurteile aufzubauen, aber ich kann leider nicht alle meine Eindrück hier schildern, und manches nehme ich als Ausländerin auch anders wahr, als es vielleicht wirklich ist. Seht mich also nicht als Expertin für Ecuador und fasst nichts von dem, was ich schreibe, als generelle Aussage über Ecuador(ianer) auf. Ein Film dazu, der das Problem an der Sache gut verdeutlicht, und den wir auf dem Vorbereitungsseminar gezeigt bekommen haben: http://blog.ted.com/2009/10/07/the_danger_of_a/